Was wäre, wenn „das süße Nichtstun“ (das „dolce far niente“) nicht das Privileg einiger weniger, sondern das Recht aller wäre? "morgen mach ich blau / tomorrow I won’t work": Auf Wiener Mauern finden wir dieses Graffiti, eine Forderung nach dem Recht, nichts zu tun, nach dem Recht, nicht zu arbeiten. Der_die anonyme Verfasser_in, der_die dies an die Wand geschrieben hat, ist wahrscheinlich ein_e Wiener Arbeitende_r ... aber sind wir das nicht alle? morgen mach ich blau ist nicht einfach die simple Aufforderung, am nächsten Tag nicht zu arbeiten. Es ist eine politische Forderung – nach einer anderen Gesellschaft. Einer, in der Arbeit nicht Zwang, Spaltung und die Basis für Ausbeutung bedeutet.
Wie würde das Leben aussehen, wenn wir (nur) arbeiteten, wenn wir wollen, wo wir wollen und was wir wollen? Wo es Akzeptanz gäbe dafür, nicht zu arbeiten, wann immer das nötig ist? Wie würde sich so eine Gesellschaft gestalten? Wie würden die Produktionsverhältnisse in einer derartigen Gesellschaft aussehen?
Einige von uns dürfen arbeiten und sind Rädchen in der Arbeitsmaschinerie, manche finden keine Arbeit, anderen hingegen ist jegliches Recht verwehrt, überhaupt zu arbeiten. Sie schweben in einem Zustand ständiger Ungewissheit, führen ein Leben in Anspannung und Absurdität, warten Tag für Tag auf die Arbeitserlaubnis.
Die Arbeits„kultur“, die uns das westliche kapitalistische Systemauferlegt, wird durch die Fetischisierung von Arbeit möglich. Die sogenannte 24/7-Wirtschaft ohne reale Erholung fördert den Glauben, dass hart zu arbeiten, beschäftigt zu sein und alles Leben der Arbeit unterzuordnen, Zeichen für Erfolg und Wachstum sind. Aber dieser „Erfolg“ bietet weder Sicherheit noch Lebensqualität. Er bietet Prekarität ... für Arbeitende mit und ohne Papiere(n).
Privateigentum, befristete Mietverträge, befristete Arbeitsverträge. Arbeit, besser, schneller, härter, besser, schneller ... Das Mantra lautet: du m u s s t arbeiten / you h a v e to work!
Es überrascht nicht, dass die Menschen sich kläglich fühlen, ausgebrannt sind und krank. Auch die Anleitungen, sich zu entspannen und Arbeit und Leben zu genießen, scheitern in einer Welt, die dafür geschaffen wurde, die Produktivität zu verbessern und nicht das Leben.
Faul sein ist ein Zeichen für schlechte Moral, Zeitverschwendung, Hedonismus. Selbst einfaches Rasten löst bei Arbeitenden Schuldgefühle aus, so extrem ist das Stigma der Unproduktivität.
WIENWOCHE hat zu Forever Together aufgerufen. Wie aber können wir für immer zusammen sein, wenn wir ständig für Geld arbeiten und infolgedessen keine oder nur wenig Zeit füreinander haben? Der Kapitalismus wird uns diese Zeit nicht geben. Wir müssen sie uns nehmen.
Im Jahr 2017 wollen wir also zusammen ein dolce far niente andenken, das in den bestehenden Produktionsbedingungen nicht funktionieren kann, weil es nicht bedeutet, überhaupt nicht zu arbeiten, nicht aktiv zu sein, sondern frei zu sein – frei, zu wählen.
Wie verhandelten Menschen ihre Arbeitsbeziehungen in der Vergangenheit und wie veränderten sich diese dadurch? Was sind die heutigen Modelle dafür? Wie sehen unsere Kämpfe und Anstrengungen aus? Diskussionen darüber hat es immer schon gegeben: die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten, nach einem höheren Mindestlohn, mehr Schutz der Arbeitnehmer_innen, besseren Sozialleistungen, einem Grundeinkommen, der totalen Umverteilung von Reichtum, Revolution.
Was bringt uns dazu, mit Freude zu arbeiten? Zu arbeiten und doch nicht von uns selbst und anderen getrennt zu sein? Nicht ängstlich, erschöpft und gestresst zu sein? Was können uns Alternativen bieten? Was könnte die Vision sein für dolce far niente?
REICHT EUER PROJEKT EIN
Künstler_innen, Arbeitende, Geflüchtete, Kulturschaffende, Aktivist_innen, Forscher_innen, Studierende, Migrant_innen, Arbeitslose, alle mit oder ohne Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis, Personen jeglichen Geschlechts, Alters oder Größe beteiligt euch an der WIENWOCHE!
Macht mit – wir versichern euch, dass wir hart arbeiten werden! Gemeinsam!
Schickt uns einen Projektvorschlag zum Festival-Thema, einschließlich Projektbeschreibung, Budget sowie persönlichen Informationen/Kurzbio. (Vorschläge, die das Thema nicht behandeln, können nicht berücksichtigt werden.) Weitere Informationen über die Teilnahmebedingungen und den Auswahlprozess dieses Open Calls sind unter www.wienwoche.org zu finden.
Den Projektvorschlag inkl. aller Zusatzinformationen schickt als ein PDF-Dokument bis zum 5. Februar 2017 per E-Mail an ausschreibung@wienwoche.org.
Ein Open Call für die WIENWOCHE -Arbeitsgruppen wird Anfang 2017 folgen. Arbeitsgruppen werden ein gemeinsames Projekt in einem offenen Prozess ohne Auswahlverfahren durchführen. Jede_r ist dazu herzlich eingeladen!
INFO-VERANSTALTUNGEN
Gibt es noch Fragen? Möchtet ihr mehr über WIENWOCHE erfahren und das Team kennenlernen? Öffentliche Open-Call-Veranstaltungen finden am 13. Dezember 2016 und am 11. Januar 2017 jeweils um 20 Uhr im AU, Brunnengasse 76, 1160 Wien, statt.
Und das ist nicht alles, denn wir werden im AU das Ende dieses Festivaljahres feiern und gleich den Anfang des neuen! Schriftsteller und Partymacher Srdjan Kneževic´ ist im AU für die Musik verantwortlich: Im Dezember gibt es ein DJ-Set von Buenoventura (Elektro Guzzi, Macro) und Lenia (Gassen aus Zucker) und im Jänner legt DJ Schneidewind (Elektro Guzzi, Macro) auf. Kommt, trinkt šljivovica und tanzt!
Für WIENWOCHE: Nataša Mackuljak & Ivana Marjanović